Bild: Der Kantsch von Norden mit seinen riesigen Gletscherabbrüchen. (c) Evert Wesker
Die tibetischen Worte "Kang-chen-dzo-nga" lauten "Schnee-groß-Schatzkammer-fünf", was aus dem Gipfel die "Fünf Schatzkammern des großen Schnees" machen würde. Der Dritthöchste Berg der Erde, der Kangchendzönga - oder in der englischen Schreibweise Kanchenjunga - wirkt von allen Seiten als völlig unnahbar. Vor allem von Norden bietet seine gewaltige Nordflanke einen sehr abweisenden Anblick. Im linken Teil dieser Nordflanke wurden im unteren Teil in den Jahren seit 1979 vier unterschiedliche Aufstiege gefunden, die sich aber im oberen Drittel der Wand im Wesentlichen an die gleiche Linie halten.
Ersteigungsgeschichte:
1848/49:
unternahm der britische Botaniker Joseph Hooker zwei lange
- und für diese Zeit bemerkenswerte - Reisen nach Sikkim. Er näherte
sich dem Kangchendzönga bis auf wenige Kilometer und skizzierte ihn.
1883:
1883 war die erste wirkliche Kletterexpedition in dieser
Gegend aktiv. William Graham und seinen Schweizer Führern (Josef Imboden
bei der ersten Tour, Ulrich Kaufmann und Emil Boss bei der zweiten) gelangen
mehrere Erstbesteigungen, einschließlich des umstrittenen Aufstiegs auf
den Kabru.
1899:
Douglas Freshfield und ein kleines Team mit dem italienischen
Gebirgsfotografen Vittorio Sella gelingt eine komplette Umrundung des Kangchendzönga-Massivs.
Dabei kamen sie auf einem mehrtägigem Trekking auch in das "geschlossene"
östliche Nepal. Freshfields Buch (zutreffend, wenn auch nicht sehr romantisch
"Rund um den Kangchendzönga" genannt), bebildert mit Sellas Fotos,
inspirierte andere nicht nur, sondern enthielt auch eine ausführliche Auflistung
von möglichen Routen zum Hauptgipfel.
1905:
...kam Aleister Crowley im August in Sikkim an, fest entschlossen,
den Berg zu besteigen. Den Teufelsverehrer begleiteten Dr. Jacot-Guillarmod,
der wie Crowley auch bei Eckensteins K2-Tour 1902 dabei gewesen war, zwei Schweizer
Bergsteiger, Alexis Pache und Charles Reymond, ein italienischer Hotelier aus
Darjeeling mit Namen de Righi, den das Team unterwegs aufgelesen hatte, und
eine Anzahl Träger. Die Gruppe näherte sich über den Yalung-Gletscher
der südwestliche Seite des Berges und errichtete in etwa 6250 Meter Höhe
ein Lager. Von da aus erkundete Pache eine Höhe von etwas 6400 Meter, vielleicht
auch etwas mehr.
1929:
Eine deutsche Expedition unter Paul Bauer erreicht am
Nordostsporn eine Höhe von 7400 Metern. - Der Amerikaner Edgar Francis
Farmer, ein junger Mann mit begrenzten Erfahrungen und grenzenloser Begeisterung,
versuchte es heimlich. Nachdem er seine Träger auf dem Yalung-Gletscher
zurückgelassen hatte, wurde er das letzte Mal gesehen, als er zum Talung-Sattel
kletterte, einem Pass am Südgrat.
1930:
G.O. Dyhrenfurth leitet eine internationale Expedition zur
Nordflanke. Beim Versuch, den Nordgrat zu erreichen, kommt ein Sherpa in einer
Eislawine um. Daraufhin wendet sich die Gruppe dem Nordwestgrat zu und gelangt
dort auf eine Höhe von etwa 6400m.
1931:
Wieder führt Paul Bauer eine deutsche Expedition zum
"Kantsch". Dies mal wird am Nordostsporn eine Höhe von etwa 7700
m erreicht, jedoch stürzen H. Schaller und ein Sherpa tödlich ab;
der Sirdar erkrankt und stirbt.
1955:
Eine britische Expedition unter Charles Evans bringt die
Erstbesteigung des Berges: George Band und Joe
Brown erreichen am 25. Mai den Gipfel, tags darauf Norman Hardie und Tony
Streather. Beide Seilschaften respektieren den Gipfel als heiligen Ort der Einheimischen
und machen wenige Meter unterhalb davon halt.
1973:
Erste Besteigung des Westgipfels (Yalung Kang) durch Japaner
im Frühjahr über den Südwestgrat.
1975:
Eine deutsch-österreichische Expedition unter Leitung
von Siegi Aeberli und Günter Sturm (mit dabei ist auch Michl
Dacher) gelangt über einen neuen Weg auf den Westgipfel. Neun Teilnehmer
besteigen in drei Gruppen den Yalung Kang (8438 m).
1977:
Eine indische Gruppe schafft erstmals seit 22 Jahren den
Aufstieg auf den Hauptgipfel. Die Inder steigen über den Nordostsporn -
jenen Weg, den Paul Bauer 1929 und 1931 versucht hatte: am 31. Mai stehen der
indische Major Prem Chand und der Sherpa Nima Dorje auf dem höchsten Punkt.
1978:
Erstbesteigung des Süd- und Mittelgipfels durch eine
polnische Gruppe von Südwesten.
1979:
1979 erlebte der Hauptgipfel wieder eine großartige
Besteigung. Anfang April nach mehreren Jahren des Überredens der Nepalesen,
einen Versuch von Westen aus zu genehmigen, stellten die Briten Peter Boardman,
Doug
Scott und Joe Tasker, zusammen mit dem Franzosen Georges Bettembourg ein
Basislager unterhalb der Nordwestwand des Kangchendzönga auf. Die Wand,
an der 1930 das Team von Dyhrenfurth gescheitert war. Sie kletterten eine schwierige
Route durch die Wand hinauf zum Nord-Col; drei Lager wurden gebraucht. Ein viertes
Lager wurde in einer Schneehöhle auf dem Nordgrat in einer Höhe von
7440 Meter eingerichtet. Der erste Versuch von Bettembourg, Boardman und Scott
(der kranke Tasker war abgestiegen) schlug bei Wind mit Geschwindigkeiten von
geschätzten 140 Stundenkilometern fehl. Beim zweiten Versuch verließen
Boardman, Scott und der inzwischen wieder gesunde Tasker (Bettembourg traute
dem Wetter nicht) am 15. Mai ihre Schneehöhle bei Lager IV und biwakierten
in der Nacht auf dem Grat. Am 16. Mai querten sie die Nordwestwand, um den Westgrat
in der Nähe der Erstbegeher-Route zu erreichen. Sie folgten dieser Route
(der Hardie-Strather-Variante) bis zum Gipfel, der um 17 Uhr erreicht wurde.
Das Trio kehrte zum Biwak zurück und war am 19. Mai sicher vom Berg herunten.
Auch wenn es sich um keinen reinen alpinen Aufstieg handelte, war diese dritte
Begehung des Kangchendzönga sicherlich eine herausragende.
1980:
Zwei Seilschaften einer japanischen Expedition unter Leitung
von M. Konishi vollenden im Frühjahr eine schwierige Route durch die Nordwand
bishin zum Gipfel.
Einer deutschen Expedition unter Karl
Maria Herrligkoffer gelingt die erste deutsche Besteigung des Berges. Sie
benutzen hierbei den Weg der Erstbesteiger.
1982:
Am 6. Mai stehen Reinhold
Messner und Friedl
Mutschlechner auf dem Gipfel: eine kleine Expedition, teilweise im Alpinstil.
Den Abstieg überleben die beiden Bergsteiger nur mit allerletzter Kraft.
1983:
Der Österreicher J. Bachler erklettert den Hauptgipfel
vom letzten Lager aus im Alleingang über die Südwestflanke. Der Franzose
Pierre
Béghin steigt auf der gleichen Route im Alleingang zum Gipfel ohne
Flaschensauerstoff zu benutzen.
1984:
Eine japanische Gruppe scheitert bei dem Versuch, Haupt-,
Süd-, und Westgipfel kreuzweise zu überschreiten. Die verschiedenen
Gipfel (Süd - und Hauptgipfel) werden erreicht.
1986:
Dem polnischen Spitzenbergsteiger Jerzy
Kukuczka gelingt die erste Winterbesteigung des Berges. Im Herbst sind Spanier
an der Südwestflanke (Weg der Erstbesteiger) erfolgreich.
1989:
Auf
34 Gipfelbesteigungen kommt eine einzelne russische Expedition unter der Leitung
von Eduard Myslovsky. Mit massivem Aufgebot an künstlichem Sauerstoff werden
sämtliche Gipfel des Kanchendzönga rückwärts und vorwärts
überschritten.
1991:
Bergsteigern aus Slowenien unter Tone karja gelingt
die Erstbegehung des schwierigen Südwestgrats zum Südgipfel (8476
m). Andrej tremfelj und Marko Prezeli erreichen am 29. April den Gipfel.
- Nachdem eine sowjetische Expedition den Berg über die hohen Nebengipfel
überschreiten konnte, konzentriert sich das Interesse der Pioniere auf
die Erschließung neuer Wege an den Nebengipfeln.
1992:
Die polnische Spitzenbergsteigerin Wanda
Rutkiewicz kommt am Berg um: auf einer Höhe von 8200 Metern wird sie
zuletzt gesehen, als sie ihr Biwak für den Gipfelaufstieg am nächsten
Tag vorbereitet.
1995:
Der Schweizer Erhard
Loretan erreicht mit dem Kantsch seinen vierzehnten Achttausender-Gipfel
und ist damit der dritte Bergsteiger, der alle Achttausender bestiegen hat.
Fast zeitgleich kommt der Franzose Benoit
Chamoux wegen Erschöpfung am Berg um. Für ihn wäre es ebenfalls
der 14. Achttausender-Erfolg gewesen.
1998:
Der Südtiroler Hans
Kammerlander besteigt den Gipfel und fährt beim Abstieg ab einer Höhe
von 7500 Metern mit Ski ab. Der Engländerin Ginette Harrison gelingt als
erster und bisher einziger Frau die Besteigung des Berges. Am 18. Mai erreicht
sie über die NW-Flanke und den N-Grat den Gipfel.
2004:
Einer
kleinen Gruppe aus Österreich unter der Leitung von Helmut Ortner gelingt
die Durchsteigung der Nordwand (keine Erstbegehung). Am 16. Mai kann Helmut
Ortner aus der Nordwand auf den Südwestgrat aussteigen, doch es ist zu
spät am Tag. Obwohl er sich schon auf über 8500 Meter befindet, siegt
die Vernunft und er steigt ab. Auch ein weiterer Besteigungsversuch seiner Kollegen
scheitert. Dennoch eine großartige Leistung einer kleinen Gruppe in einer
schwierigen Achttausenderwand.