Siegi Löw-Gedächtnisexpedition 1970
Bild: Offizielle Expeditions-Grußkarte mit den Unterschriften der Teilnehmer.
Die
Teilnehmer:
Karl
Maria Herrligkoffer (Leiter), Michl
Anderl (stellvertretender Leiter), Reinhold
Messner, Günther
Messner, Felix
Kuen (Österreich), Peter
Scholz (einziger Bergsteiger, der auch 1968 mit dabei war), Werner
Haim (Österreich), Gerd
Baur (Friedrichshafen), Jürgen
Winkler (Fotograf), Hans
Saler (München), Gerd
Mändl (München), Günter
Kroh (Ulm), Peter
Vogler (Allgäu), Hermann
Kühn (Heidelberg, "alpinistischer Lehrmeister" Reinhard Karl´s),
Alice
"Alex" von Hobe (mediz.-wiss. Assistentin), Wolf-Dietrich
Bitterling, Elmar
Raab und als Gast Max
Engelhardt von Kienlin.
Günther Messner kommt als Ersatzmann ins Team. Peter Habeler und Sepp Mayerl scheiden aus dem geplanten Team aus. Habeler geht im Dezember 1969 nach Amerika und Mayerl versucht sich erfolgreich am Lhotse Shar, der bis dahin unbestiegen ist. Auch Reinhard Karl sollte in die Mannschaft, doch beim damals noch jungen Karl geht das Abitur vor.
Von den vier Bergsteigern, denen die Durchsteigung der Rupalwand gelang, lebt nur noch Reinhold Messner. Peter Scholz stürzte 1972 bei einem Alleingang am Südgrat der Aiguille Noire (Peutereygrat) ab, der introvertierte Felix Kuen nahm sich 1974 das Leben. Günther Messner starb (vermutlich) am Fuß der Diamirwand in einer Eislawine. Zu Ehren von Peter Scholz leitete Herrligkoffer 1973 die "Peter Scholz-Gedächtnisexpedition" zum 7788 m hohen Rakaposhi.
Zum
Gedenken:
Siegi
Löw war Teilnehmer der Nanga Parbat-Expedition von 1962. Während der
entscheidenden Aufstiegsphase hatte er bereits kein Gefühl mehr in den
Zehen. Mit Pervitin putschte er sich auf und erreichte den Gipfel. Nach einem
eiskalten Biwak im unteren Teil des Gipfelausbaus stürzte er und verletzte
sich dabei tödlich.
Die
Expedition:
Dem
Tode Siegi Löws zu Ehren, der bei der Expedition von 1962 den Tod fand,
wird 1970 die Siegi-Löw-Gedächtnisexpedition zum Nanga Parbat geführt.
Nachdem Reinhold Messner bereits ein Jahr zuvor eine Einladung erhalten hatte,
findet sein Bruder Günther erst kurz vor der Expedition Eingang ins Team,
da Peter Habeler und Sepp Mayerl kurzfristig absagen. Die Leitung hat wieder
Dr. Karl Maria Herrligkoffer, der Gründer und Verwalter des DIA, des Deutschen
Institutes für Auslandsforschung ist.
Ziel der Expedition ist die 4500 Meter hohe Rupalflanke, die als die höchste
Wandflucht der Welt gilt.
Bislang undurchstiegen, sollen es im Rahmen der Expedition die
ersten Bergsteiger durch diese schwierige und hohe Wand schaffen.
Über Rawalpindi und Gilgit erreichen das Expeditionsteam und etwa 300 Träger
mit Flugzeug, Jeep und zu Fuß das Basislager auf der Tapalpe im Rupaltal
auf 3600 Meter Höhe.
Die Lager I (4700 m), Lager II (5500 m, wo das Wieland-Eisfeld an den Hauptpfeiler
grenzt) und Lager III (auf 6000 m, "Eisdom" genannt) sind recht schnell
errichtet, aufgrund von Schneestürmen und Lawinen kann die Expedition das
Lager IV auf 6400 m aber erst drei Wochen später aufbauen. Auch ein zehntägiger
Sturmaufenthalt im Lager III werfen die Expedition zurück und zwingen die
Brüder Messner zum Abstieg ins Basislager, um neue Kraft zu sammeln. Am
13. Juni kehren sie ins Basislager zurück und zwei Tage später sind
auch die übrigen Mitglieder der Expedition wieder am Wandfuß versammelt.
Ende Juni steigen Günther und Reinhold zum Lager V (7400 m) unterhalb des
Merkl-Eisfeldes auf, von wo jedoch kein Funkkontakt zum Basislager besteht.
Folgende Signale werden vereinbart, um dem Gipfelteam die Wetteraussichten zu
signalisieren: eine blaue Rakete bedeutete gutes Wetter - in diesem Fall sollte
der Aufstieg weiter versichert werden und der Aufstieg in einer Vierer-Seilschaft
versucht werden. Eine rote Rakete bedeutete schlechtes Wetter - für diesen
Fall sollte Reinhold einen schnellen Alleingang versuchen, um wohlmöglich
bis zum Gipfel vorzudringen. Bei blauer und roter Rakete solte die Entscheidung
dem Gipfelteam überlassen bleiben.
Um acht Uhr abends des 26. Juni, sie steigen mit Gerhard Baur gerade über
das Merkl-Eisfeld, war eine rote Rakete zu sehen! Damit war für Messner die Sache klar
- Schlechtwetter! Am nächsten Morgen folgt Günther in schnellem
Tempo seinem Bruder, der bereits alleine am frühen Morgen mit dem Aufstieg
durch die Merkl-Rinne begonnen hatte. Das letzte Stück gemeinsam aufsteigend
vollenden sie die Route und stehen am späten Nachmittag am Gipfel auf 8125
Meter Höhe. Über eine Stunde bleiben sie, trotz des laut roter Rakete nahenden Schlechtwetters am Gipfel, bevor sie mit
dem Abstieg beginnen.
Ohne Seil und erschöpft kommt ein Abstieg über die Rupalflanke nicht in Frage. Sie steigen in die Scharte über der Merkl-Rinne ab und errichten ihr Nachtbiwak auf etwa 8000 Meter. Nach einer langen Nacht, steigt Reinhold am nächsten Morgen zur Scharte zurück um Hilfe zu rufen. Er hat mit Felix Kuen und Peter Scholz Ruf- und Sichtkontakt. Trotzdem gibt Reinhold auf Felix´ Frage, ob alles in Ordnuing sei, die Antwort "ja, alles in Ordnung" - für Kuen und Scholz ist klar, dass die Messners keine Hilfe benötigen. Als Reinhold Richtung Diamirseite deutet, versucht Kuen, ihn von seinem wahnwitzigen Plan, offensichtlich über die Diamirseite absteigen zu wollen, abzuhalten - ohne Erfolg.
Reinhold Messner hatte in den Wochen zuvor Max von Kienlin und Gerd Baur gegenüber mehrfach geäußert, dass ein Abstieg über die Diamirseite möglich sein müsse. Er erläuterte seine Vorstellung laut Angabe der beiden Expeditionsteilnehmer mittels eines Schwarzweißbildes von der Diamirseite, welcher er seinerzeit beseen haben soll. Ohne Daunenjacke und Verpflegung steigen sie über diese Wand ab, wobei sie immer wieder zu langen Umwegen
gezwungen sind. Den ganzen Tag steigen sie ab, über das Bazhin-Becken und
Mummery-Sporn, biwakieren ein weiteres Mal im Freien, steigen jedoch beim aufgehenden
Mondlicht weiter ab und erreichen am Morgen des dritten Tages endlich den Wandfuß.
Während Reinhold einen Weg ins Tal sucht, geht am Wandfuß eine Eislawine
nieder und begräbt Günther unter sich. Die Katastrophe nicht realisierend
sucht Reinhold seinen Bruder, steigt immer und immer wieder die Strecken auf
und ab, die sein Bruder gegangen sein könnte. Einen Tag und eine Nacht.
Am Gletscherrand eine weitere Nacht. Er findet nichts!
Wahnsinnig vor Schmerz und am Ende seiner physischen und psychischen Kräfte kriecht Reinhold schließlich nur noch auf allen Vieren mit schweren Erfrierungen an Füßen und Fingern ins Diamirtal. Bauern lesen ihn auf und sorgen schließlich für seine Evakuierung. In einer Herberge, etwa 30 km vor Gilgit, trifft er auf Herrligkoffer und die anderen des Teams: nach dem Verschwinden der Messners wurde die Expedition angebrochen, und man begab sich umgehdn auf die Suche ins Astor-Tal. In Gilgit trafen so die Expedition und Messner zufällig aufeinander. Sechs amputierte Zehen, einige amputierte Fingerkuppen und der Schmerz, einen Bruder verloren zu haben, waren Reinholds Preis seines ersten Achttausenders und der Erstdurchsteigung der Rupalwand.
"Der
nunmehr geglückte Aufstieg durch die Rupal-Wand darf wohl als der bisher
kühnste und vielleicht auch schwierigste an einem Achttausender betrachtet
werden."
- Mathias Rebitsch -
(Expeditionsteilnehmer am Nanga Parbat von 1938)
Am 18. Juli wurde in der Pfarrkirche in St. Peter in Villnöß
eine Gedenkmesse für Günther gehalten. Herrligkoffer war nicht anwesend.
Ein Jahr nach der Tragödie kommt Reinhold, gemeinsam mit seiner damaligen Lebenspartnerin Uschi, zum ersten Mal wieder an den Nanga Parbat, um nach Spuren seines hier verstorbenen Bruders Günther zu suchen. Der Verlust seines Kletterpartners, seines Bruders, seines Freundes ist immer noch nicht verarbeitet. Er findet jedoch nichts.
nach oben! | zurück zur Besteigungsgeschichte! | zurück zur Biographie Herrligkoffers! | zur Bio Reinhold Messners! |